Heizungs EKG
Das Durchschnittsalter der Heizungsanlagen in deutschen Wohnungen lag 2019 bei 16,1 Jahren. Nur 18 Prozent der Anlagen waren unter fünf Jahre alt (Quelle: Statista, A. Breitkopf, 20.01.2022). Der überwiegende Teil der Anlagen arbeitet dabei nicht im energetischen Optimum. Eine Ursachenanalyse macht deutlich, dass nach Errichtung der Anlagentechnik eine Abstimmung von Wärmeerzeugung, Wärmeverteilung und Wärmeübergabe meist nicht erfolgt ist oder mangelhaft durchgeführt wurde. Dies hat oft erhebliche Mängel im Betriebsverhalten zur Folge. Überdimensionierte Wärmeerzeuger, überhöhte Systemtemperaturen und zu große Pumpenleistungen seien in diesem Zusammenhang nur beispielhaft erwähnt. Für den Anlagenbetreiber eröffnet sich hier ein erhebliches Energieeinsparpotential vor allem durch nicht-investive bzw. geringinvestive Maßnahmen.
Verfahren
Ansatzpunkte dazu bietet eine "Einmalige Inspektion nach der Norm DIN EN 15378 - Heizungssysteme in Gebäuden - Inspektion vom Kesseln und Heizungssystemen". Sie umfasst die Analyse des Heizungs- und Trinkwassersystem mit dem Ziel das Energieeinsparpotential der Anlagentechnik zu ermitteln und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz abzuleiten. Anlagenbetreiber werden gemäß DIN EN 15378 verpflichtet eine einmalige Inspektion bei Anlagen die älter als 15 Jahre sind durchzuführen.
Die DIN EN 15378 fordert bei der Durchführung einer einmaligen Inspektion mit dem Analyseverfahren alle wesentlich relevanten Komponenten der Anlage zu erfassen, eine messtechnisch gestützte hochauflösende Erfassung des Betriebsverhaltens über einen typischen Temperaturzyklus von mindestens 24 Stunden vorzunehmen, subjektiv bedingte Faktoren weitgehend auszuschließen, die Reproduzierbarkeit von Datenerfassung und Berechnung zu gewährleisten, sowie eine hohe Ergebnisgenauigkeit, Neutralität und eine positives Kosten-Nutzen-Relation sicher zu stellen ist.
Als Ergebnis fordert die Norm die Ermittlung des Nutzungsgrades der Wärmeerzeugung unter Berücksichtigung der energetisch relevanten Größen, die Ermittlung der Parameter des Betriebsverhaltens der Anlagentechnik mit differenzierter Herausarbeitung der regelungstechnischen und komponentenbedingten Mängel, die Ermittlung der Heizlast bzw. des Gebäudeanschlusswerts, die Berechnung und Bewertung der objektbezogenen Energieeffizienz und des anlagentechnisch bedingten Einsparpotentials.
Mit dem messwertgestützten mobilen Datenerfassungs- und Auswertesystem ratioservice-Heizungs-EKG wurde eine direkte Umsetzung des Verfahrens zur einmaligen Inspektion nach dem Analyseverfahren gemäß DIN EN 15378 geschaffen.
Ablauf
Der Mess- und Analyseprozesses beginnt mit der Daten- und Messwerterfassung, auf deren Grundlage die computerunterstützte Expertenanalyse erfolgt, die dann im Rahmen der Anlagendiagnose in einem Gutachten dokumentiert wird. Die Durchführung dieser Mess- und Analysedienstleistung wird dabei durch verschiedene, von ratioservice entwickelte, Softwaremodule unterstützt.
Über einen Messzyklus von 24 Stunden werden im 12-Sekundentakt Abgasparameter des Wärmeerzeugers, Vor- und Rücklauftemperaturen der Verbraucher, Außentemperaturen und Raumreferenztemperaturen erfasst. Die Festlegung der Messstellen erfolgt dabei in Abhängigkeit von der Anlagenkomplexität und der Analysezielsetzung.
Zur Vorbereitung einer zielführenden Optimierung, Sanierung, Modernisierung oder eines Energieträgerwechsels erfolgt nach der Messwerterfassung eine softwarebasierte Analyse mit Hilfe des ratioservice-Expertensystems. Das "Heizungs-EKG" entspricht im Modell dem aus der Medizin bekannten EKG. Im Ergebnis liefert das Heizungs-EKG eine grafische Darstellung des Betriebsverhaltens der Anlage.
Die grafische Darstellung der Messwerte ermöglicht die Bewertung der Anlage und ist die Ausgangsbasis für den weiteren Auswertungsprozess. Mit Hilfe des interaktiven Expertensystems werden die Messwerte im Rahmen der Expertenanalyse hinsichtlich erkennbarer Anlagenmängel analysiert. Das Expertensystem ist in der Lage ca. 120 unterschiedliche Anlagenmängel regelbasiert zu erkennen.
Die detektierten Anlagenmängel werden dann hinsichtlich der zu generierenden Energieeinsparungen bewertet. Dabei werden anlagenspezifische Optimierungsempfehlungen zugeordnet und zwischen nicht-investiven und gering-investiven Optimierungsmaßnahmen sowie investiven Maßnahmen im Rahmen eines Anlagenersatzes unterschieden.
Eregbnis und Einsatz
Die im Rahmen der Expertenanalyse erstellte Expertise gibt nicht nur Auskunft über die aktuellen Anlagenparameter, das hydraulische System, die reale Heizlast bzw. den Gebäudeanschlusswert, sondern enthält auch optimierte Einstellparameter für die Heizkurven und gibt mit dem berechneten Nutzungsgrad Auskunft über die Energieeffizienz der Gesamtanlage. Aus dem Vergleich der Energieverbrauchswerte vor und nach Optimierung wird eine Prognose der Energieeinsparung nach Normentwurf DIN EN 15378 vorgenommen. Auf Basis dieser Expertise kann der Anlagenbetreiber bzw. der Gebäudeeigentümer die technische Umsetzung der Empfehlungen im Rahmen einer Optimierung auslösen und damit das objektspezifische Einsparpotential heben. Die Nachkontrolle erfolgt im Rahmen eines Optimierungschecks. Um langfristig die Energieeffizienz der Anlagen sicherstellen zu können, kann eine Permanentüberwachung vorgenommen werden. Das ratioservice-Heizungs-EKG kann für die einmalige Inspektion von Kessel und Heizungssystemen gemäß DIN EN 15378 eingesetzt werden. Dabei können sowohl brennstoffbefeuerte Ein- oder Mehrkesselanlagen als auch Fernwärmeanlagen oder Wärmepumpen überprüft werden.
Eingesetzt wird das ratioservice-Heizungs-EKG bereits in Wohnanlagen, Hotels, Krankenhäusern, Seniorenstiften, Schulen, Schwimmbädern, Verwaltungsgebäuden und Industriebetrieben um die Energieeffizienz der jeweiligen Anlagen zu überprüfen, Anlagenmängel zu erkennen und mit nicht-investiven bzw. gering-investiven Optimierungsmaßnahmen zu beseitigen. Die erzielbaren Einsparungen im nicht-investiven bzw. gering-investiven Bereich liegen erfahrungsgemäß bei durchschnittlich 10 Prozent.
Das ratioservice-Heizungs-EKG kann auch vor einer Anlagenerneuerung die notwendigen Grundlagen für das auszuwählende Heizungssystem und die Dimensionierung des Wärmeerzeugers schaffen und damit auch z.B. bei Contracting Projekten die erforderliche Planungssicherheit geben. Mit dem Heizungs-EKG kann der Nutzungsgrad eines Wärmeerzeugers ermittelt werden.
Das Heizungs-EKG bietet Unterstützung bei der praktischen Umsetzung der seit dem 01.10.2022, für gasbefeuerte Heizungsanlagen in Immobilien gültigen Mittelfristenergieversorgungssicherungs- maßnahmenverordnung (EnSimiMaV).
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